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Altersvorsorgepflicht für Selbstständige

08 Feb 2022— 08:02 Uhr

Selbstständige begrüßen Pflicht zur Altersvorsorge

Die Corona-Krise hat insbesondere Selbstständige finanziell hart getroffen, was auch Auswirkungen auf deren Altersvorsorge hat. Der Einführung einer entsprechenden Pflicht zur Vorsorge zeigt sich ein großer Teil auch deshalb aufgeschlossen gegenüber.

Ein Großteil der Selbstständigen spricht sich laut einer Umfrage für eine Altersvorsorgepflicht aus. Bild: Adobe Stock/guukaa

 

Das Thema, eine Altersvorsorgepflicht für Selbstständige einzuführen, kann mittlerweile mit einigem Recht als alter Hut bezeichnet werden. Immer wieder hatte sich die Politik das Thema auf die Agenda gesetzt – auch im vorherigen Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD hieß es: „Um den sozialen Schutz von Selbstständigen zu verbessern, wollen wir eine gründer-freundlich ausgestaltete Altersvorsorgepflicht für alle Selbstständigen einführen, die nicht bereits anderweitig obligatorisch (z. B. in berufsständischen Versorgungswerken) abgesichert sind.“  

Passiert ist hingegen nichts. Statt wie vorgesehen im Frühjahr dieses Jahres einen Gesetzesentwurf zu präsentieren, vertagte sich die Bundesregierung erneut – wohl auch, um die von der Corona-Krise besonders gebeutelten Selbstständigen nicht zusätzlich zu belasten. 

Schwer von Pandemie betroffen

Dabei scheint das Thema so akut wie lange nicht. Laut einer Yougov-Studie, die der Versicherer Ergo in Auftrag gegeben hat, sind Selbstständige von der Corona-Krise hart getroffen worden. 61 Prozent der rund 500 Befragten gaben an, wirtschaftlich von den Auswirkungen der Pandemie betroffen zu sein, jeder fünfte ist sogar von der Insolvenz bedroht.  Um die finanziellen Engpässe auszugleichen, greifen einige Selbstständige in ihre Rücklagen für den Ruhestand. Neun Prozent erklärten, ihre Rücklagen in der Corona-Zeit angezapft zu haben. Noch alarmierender: Knapp die Hälfte (46 Prozent) erklärte, in der Pandemie weniger bzw. gar kein Geld für die eigene Altersvorsorge zurückgelegt zu haben.  

Entsprechend groß ist die Angst vor Altersarmut. Die Hälfte der Befragten fürchtet, im Alter nicht genug Geld zur Verfügung zu haben. Entsprechend hoch ist die Zustimmung zu der geplanten Altersvorsorgepflicht: 46 Prozent der Befragten gaben an, eine solche Maßnahme zu unterstützen.   

Nun hat sich die aktuell regierende Ampelkoalition das Thema erneut ins Vertragswerk gesetzt, allerdings mit einem Unterschied: Die Vorsorgepflicht soll nur für neue Selbstständige gelten – und nicht, wie von der Vorgängerregierung beabsichtigt, für alle Selbstständigen.

Doch welche Auswirkungen hat die neue Regelung auf unsere Arbeit als unabhängige Vermittler und welche Chancen bringt sie für uns?

Unser sozialer Auftrag wird aufgewertet

Der Vermittlerverband AfW steht dem Vorhaben der neuen Regierung positiv gegenüber. „Erfreulicherweise hat es die Versicherungspflicht für neue Selbständige in den Koalitionsvertrag geschafft“, erklärt Vorstandsmitglied Frank Rottenbacher. „Wie begrüßen den Schritt der Bundesregierung.“ Diese hat in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass die Pflicht zur Altersvorsorge „mit Wahlfreiheit“ eingeführt werden soll. Konkret bedeutet das: Alle neuen Selbstständigen, die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem unterliegen, sind künftig in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. Allerdings können sie im Rahmen eines „einfachen und unbürokratischen Opt-Outs“ stattdessen auch privat vorsorgen.“ Opt-Out“ ist der englische Begriff für „etwas nicht mitmachen“ oder „sich gegen etwas entscheiden“. In diesem Fall heißt das, dass sich Selbstständige nicht für eine von der Regierung angebotene Option entscheiden, sondern für ein privates Vorsorgeprodukt. Dieses Produkt muss insolvenz- und pfändungssicher sein und zu einer Absicherung oberhalb des Grundsicherungsniveaus führen.

Damit wird aus Sicht des AfW der soziale Auftrag für unabhängige Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler aufgewertet, denn: Hierfür sei eine fachkundige Beratung unabdingbar.

„Hier entsteht für uns ein neues Beratungsfeld für die spannende Zielgruppe der neuen Selbständigen, die wir damit ansprechen können“, sagt Frank Kesper, Geschäftsführer von Finanzaktiv. „Wir betreuen ja seit Jahren schon Selbstständige und selbstständige Unternehmer und wissen um die besonderen Bedürfnisse und Anforderungen dieser Zielgruppe“.

Chancen für die Beraterbranche sieht auch der Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM). Er geht davon aus, dass ein Großteil der Selbstständigen von der „Opt-Out-Option“ Gebrauch machen wird. Es sei ein Unterschied, ob jemand in eine Umlage einzahle oder ob der Anspareffekt direkt nachverfolgt werden könne.

Die Pflicht zwingt unsere Kunden zur Auseinandersetzung

Dass die Ampelkoalition im Gegensatz zur Vorgängerregierung die Altersvorsorgepflicht auch tatsächlich durchsetzt – davon ist der Votum-Verband überzeugt. Er geht davon aus, dass dieses Reformpaket inklusive der Versicherungspflicht für Selbstständige umgesetzt wird, auf Grund der erheblichen Komplexität jedoch erst in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode. Durch die Pflicht seien Selbstständige gezwungen, sich mit dem Thema Altersvorsorge auseinander zu setzen und über Alternativen zur gesetzlichen Rentenversicherung nachzudenken. Vor allem Soloselbstständige würden diese Themen häufig verdrängen.

„Hier kommen wir ins Gespräch. Wir haben so auch die Möglichkeit, andere Vorsorgethemen wie etwa die Absicherung der Arbeitskraft anzusprechen“ sagt Frank Kesper. „Wir wissen auch aus der Zusammenarbeit mit unseren selbstständigen Kunden, dass diese ihre Altersvorsorge lieber „staatsfern“ organisieren und der Versprechung, die gesetzliche Rentenversicherung sei sicher, nicht „blind Glauben schenken“. Außerdem glauben wir, dass ein staatliches Standardprodukt nicht zu den unterschiedlichen Anforderungen der Kunden an ihre Altersvorsorge passt. Hier muss es eine sehr individuelle Beratung und Umsetzung geben.“

Wichtig scheint den meisten Selbstständigen dabei das Thema Sicherheit. 64 Prozent der Befragten nannte die Sicherheit ihrer Rente als Priorität. 44 Prozent ist darüber hinaus Flexibilität in der Auszahlphase wichtig, 38 Prozent in der Sparphase. Knapp ein Drittel nannte höhere Renditen, beispielsweise durch Investments am Kapitalmarkt, als besonders wichtig.  

Was bedeutet das für die monatliche Belastung von Selbstständigen?

 

Die Einführung der Vorsorgepflicht für bislang nicht obligatorisch abgesicherte Selbstständige ist ab dem Jahr 2024 vorgesehen. Die Pflicht soll für alle selbstständigen Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze von derzeit 450 € monatliche gelten. Das entspricht der Regelung, die für heute bereits pflichtversicherte Selbstständige gilt, also für:

– Handwerker und Hausgewerbetreibende

– Lehrer, Hebammen, Erzieher und in der Pflege Beschäftigte

– Künstler und Publizisten

– Selbstständige mit einem Auftraggeber

– Seelotsen sowie Küstenschiffer und –fischer

sowie bestimmte weitere Selbstständige.

Grundsätzlich ist eine Versicherung über die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) sowie die Möglichkeit einer anderweitigen Versicherung auf gleichem Niveau vorgesehen.

Als Übergangsregel ist laut dem Bericht geplant, nur Gründer*innen sowie Selbstständige unter 35 Jahren in die Vorsorgepflicht einzubeziehen. Vorgesehen ist, dass die Beiträge unterhalb eines Jahresgewinns von 40.000 € proportional zum Einkommen erhoben werden: in Höhe des Beitrags zur GRV von derzeit 18,6 %. Ab einem durchschnittlichen Monatsgewinn von 3.333 € sollen Selbstständige den Beitrag einfrieren können. Der Wert liegt damit noch unterhalb der Hälfte der Beitragsbemessungsgrenze (bis zu der auf abhängige Arbeit Beiträge fällig sind), die im Jahr 2021 bei monatlich 7.100 € (West) bzw. 6.700 € (Ost) liegt.

Konkret sollen Selbstständige den Beitrag auf Höhe des Durchschnittsverdienstes der GKV-Versicherten, der sogenannten Bezugsgröße kappen können. Existenzgründer*innen sollen den Beitrag in den ersten drei Jahren auf die Hälfte des daraus errechneten sogenannten Regelbeitrags – also auf rund 300 € / Monat – reduzieren können. Anders als bei der Künstlersozialversicherung, die als Sondersystem erhalten bleibt, ist kein Auftraggeber- oder Staatsbeitrag vorgesehen.

Wäre die Altersvorsorgepflicht in 2021 eingeführt worden, hätten sich für die Pflichtversicherten damit Beiträge zwischen 83,70 € und 612 € für die Altersvorsorge ergeben.

Es ist davon auszugehen, dass auch die neue Regierung diese Zahlen zu Grunde legen wird.

Bei Fragen rund um das Thema Altersvorsorge – rufen Sie uns an!

 

Quellen:

Procontra.de

Selbstständigen.info

Frauen-berufsperspektive.de

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